Wenn wir genau hinschauen, werden wir feststellen, dass wir wieder genau da ankommen, wo wir losgegangen sind: Hier. – Aber diesmal ohne Illusionen, und insofern vollkommen verändert. Weil das einzige, was geht, was zu gehen hat und gehen muss, um in diesem Leben anzukommen, unsere Illusionen sind, unsere Vorstellungen von und Ideen darüber, wie sich dieses Leben zu entwickeln hat. Von dem wir rein gar nichts wissen – weil wir es gerade leben könnten. Weil wir dazu da sind, lebendig zu sein. Allein für diese Einsicht hat sich alles gelohnt!
Unsere viel zu kleinen, nicht durchschauten Wünsche mussten genau auf diese Weise zerbrechen, wie sie uns immer wieder zerbrochen sind. – Damit wir endlich frei werden für dieses Leben. Für das Wunder dieses Lebens. Für das, was Liebe ist.
Wir wissen nichts – und das wissen wir jetzt! Bis hierher haben wir versucht, uns und dieses Leben zu kontrollieren, zu manipulieren – und eben das hat uns in die Situation gebracht, in der wir uns befinden: In unglückliche, unwahrhaftige, nicht geheilte Beziehungen zu uns selbst und „der Welt“. Wir haben uns selbst und den anderen nicht erkannt und nicht erkennen können, weil wir Ideen darüber hatten, wie das Leben zu sein hat, wer wir zu sein haben, wer der andere für uns zu sein hat ... Das wissen wir jetzt!
Durch dieses Wissen werden wir von dem Begehren befreit, das niemals „mein“ Begehren sein kann, weil ich nur begehren kann, was ich in Wirklichkeit begehre. – Alles andere Begehren ist rein vorgestellter und damit unwahrhaftiger Natur.
Das Leben öffnet mich. Für mich. Nicht für eine Vorstellung von mir, nicht für eine Version von mir, sondern allein für mich selbst. – Endlich für mich selbst! Und von „hieraus“ werde ich deutlich. Hier spüre ich mich. Hier kann ich kein falsches Zeugnis mehr ablegen und kein falsches Zeugnis mehr sprechen. Das ist die Erholung und das ist die Einladung, das ist die Schönheit: Ich darf einfach so sein, wie ich bin. Und wie ich bin, das weiß ich nicht. Wie ich bin, kann ich nicht erklären, weil ich um so vieles wirklicher bin als all meine sinnlosen (!) Erklärungsversuche. Wie ich bin, kann ich nicht erzählen und das möchte ich auch gar nicht mehr – denn „wie ich bin“ berührt sich selbst, in mir selbst und vielleicht mit Dir. Vielleicht. – Das kann nicht mehr gesagt oder geplant werden. Es wird ganz von selbst deutlich. Und in diese Deutlichkeit hinein entspannt es sich von allein. Es findet seine Wege. Weil es stimmt. Weil es endlich wirklich werden darf …
Ich sehe einem Schmetterling zu – einem trunkenen Schmetterling, der frei von sich selbst hin- und her fliegt, flattert, taumelt; einer Schnecke, die eben auf dem Weg nach da war, und jetzt auf dem Weg nach dort ist, ihr Haus immer bei sich: immer zuhause, und dabei unterwegs. Ich sehe es bei der Katze, wie sie pirscht, ganz still ist, verharrt, und dann springt. Ich sehe es an ihrer totalen Aufmerksamkeit und an ihrer vollständigen Entspannung, an dem vollständigen Entspanntsein, das bei einer Katze so unverschämt ist. „Unverschämt“ – was für ein schönes, direktes und ungeschminktes Wort!
Der Schmetterling, die Schnecke, die Katze – drei Ausdrucksformen dieses Lebens, die alle so vollkommen und eigen sind, die einfach so sind, die so sein dürfen, die so sein wollen, ohne davon zu wissen (!), weil sie so „gedacht“ sind. In der Welt dieser einfachen Wesen, die wir Tiere nennen, müssen keine Umwege gegangen werden. Sie zeigen sich einfach als das, was sie sind.
Doch bei mir ist das anders: Ich bin jetzt wieder da, wo ich war. – Aber doch als ein ganz anderer. Nämlich als jemand, der sich nicht mehr zwanghaft doppelt und damit ewig bedenkt. Ich komme wieder zu mir, zu diesem natürlichen Wesen, das sich selbst begleitet. Das sich selbst in dieser Unmittelbarkeit erlebt. Das keinen geistigen Klon mehr hat, kein vorgestelltes Ich. Keine zukünftige Version von jemandem, der niemals wird atmen können, weil es ihn nicht gibt – und niemals (außer als Vorstellung) gab. All das muss die einfache Welt, die schwingende Welt, die sich selbst berührende Welt, die Welt, die vollständig in sich eingebettet ist, die vollständig von sich abhängig ist, die lebt, wenn sie lebt, und stirbt, wenn sie stirbt – all das muss diese einfache, ganz direkte, unmittelbare Welt niemals erleben. Weil es eine mentale Überlagerung ist, die vom Leben trennt!
Die Natürlichkeit selbst kann das Falsche nicht erleben, weil es in ihr nichts Falsches gibt. Und doch hat das Falsche einen immensen Wert: Der Wert des Falschen liegt in der Erkenntnis, dass das Falsche falsch ist! Dass es etwas Vorgemachtes, etwas Vorgestelltes, etwas vollständig Unlebendiges ist. Etwas, das uns daran hindert, in dieses Leben – in das gegebene Leben, das sich ewiglich selbst wandelt – einzutreten. Allein diese Erkenntnis hat das Potential mich zu befreien. Diese Erkenntnis ist es auch, die mich von allen Illusionen über „das Erwachen“ und „die Erleuchtung“ befreit. – Ich brauche diese Gedanken nicht mehr!
Hier ist es erwacht, hier ist es erleuchtet. Nicht aber dort! – Im Sonnenschein wie im Regen, im Schneetreiben, im Gewitter. Hier ist es erwacht, hier wird es erlebt. Hier darf es sich feiern, hier wird es gefeiert. Und das ist das Schöne am Erkennen der Falschheit: dass die Feier des So-Seins als der wahre Wert des Lebens erkannt wird. Das Gegebene selbst, die Natürlichkeit selbst, die Kreatürlichkeit selbst, die Berührung selbst, der Duft, die Farben – all das ist, was das Leben so unendlich wertvoll macht. – Nicht aber meine nicht durchschauten, kleinen und letzten Endes kläglichen Ideen über mich und das Leben, über mich und „die anderen“. Diese unbedeutenden und damit bedeutungslosen (!) Vorstellungen binden mich an jemanden, der niemals wirklich eintreten wird. – Der niemals mit Haut und Haar in dieser Verkörperung als dieser Mensch in dieses Leben eintreten wird. Das weiß ich jetzt, das darf ich erfahren, und genau darin liegt der immense Wert der Falschheit: Das bedeutungslose zweifelsfrei zu erkennen!
Ich darf mich entspannen. Das Spiel des Erreichens, das „Spiel Morgen“, die Zukunft – sie alle sind vorbei. Sie haben niemals angefangen! – Hier trete ich in dieses Leben ein. Hier war ich schon immer – nur habe ich das nicht gewusst! Ich war immer hier, habe es aber nicht gewusst. Ich habe mich in dieser gegebenen Natürlichkeit übersehen, überhört und nicht wahrgenommen, damit ich von etwas träumen und mir etwas vorstellen kann, was es nicht gibt. Das ist es, was zu mir in unerlöster Form geführt hat. – Diese Vorstellungen erkenne ich jetzt (immer öfter) als vollständige Entwertungen von allem, was von selbst in seine Blüte finden. Und damit ist es jetzt vorbei.