Was ist meine Aufgabe?


Was ist meine Aufgabe? – Das ist eine Frage, die wir wirklich verstehen müssen. Wir müssen verstehen, aus welcher Not heraus sich diese Frage stellt. Sie entspringt der Not, nicht zu wissen, wer wir sind.

 

„Was ist meine Aufgabe?“ – Diese Frage lässt es aber auch so aussehen, als würde es mir freistehen, mir eine mir entsprechende Aufgabe zu suchen, um sie zu erfüllen – um mich in dieser Aufgabe zu verwirklichen. Und dann stellt sich die Frage, warum ich es nicht einfach tue? Was hält mich davon ab, meiner Aufgabe zu folgen oder sie zu entdecken? – Was hält mich davon ab, darin aufzugehen wie ein Vogel in seinem Flug, wie ein Vogel, der singt? Was er allein deshalb tun kann, weil er seine Aufgabe nicht kennt – sondern eins mit ihr ist! In die hinein er sich verliert … Wie eine Katze, die hoch aufmerksam durch die Gräser streunt, wie ein Hund, der bellt. Wie ein Stuhl, der sich Dir anbietet, dem es aber völlig egal ist, ob Du Dich setzt oder nicht. Weil es nicht Teil seiner Aufgabe ist, sich für Dich zu interessieren …

 

Alles ist, was es ist – nur der Mensch nicht.

 

Alles ist, was es ist – nur der Mensch nicht. Und eben darin besteht seine Aufgabe! – „Dem Menschen steht es frei“, sagen die einen. „Der Mensch ist verloren“, sagen die anderen. Weil diese Aufgabe kaum zu bewältigen ist. – Weil ich mich in meinem Menschsein missverstehe, wenn ich glaube, dass Mensch zu sein eine Aufgabe ist, die ich zu bewältigen habe.

 

Ich bin vor mir in den Raum getreten – als Verkörperung. Das ist das Wahre an mir. Das ist das Schicksal des Menschen, der ich bin. Und dieser Mensch ist immer der eine zu viel: der eine, für den ich mich frage, was seine Aufgabe ist. Für den ich frage, wie er wohl glücklich werden könnte und erfüllt.

 

Wie wäre es, wenn Du erkennst, dass die Aufgabe des Lebens darin besteht, nicht zu wissen? Du hast entdeckt, dass Du bist. Du bist hier – und genau so fühlt es sich in diesem Augenblick an. Und das ist niemandes Schuld! Du hast nichts richtig gemacht und nichts falsch. Jetzt bist Du hier. In diesem Augenblick, an diesem Punkt. Du spürst, dass Du atmest, dass Du bist. Dass Du nicht weißt – dass Du orientierungslos bist, obwohl Du hier bist, hier, genau an diesem Ort. Hier, wo Dein Herz schlägt, wo es sich atmet. Damit Du Dich entdecken und verwirklichen kannst. Du bist hier – und doch bist Du (noch) nicht in Dich eingetreten …

 

Dein Organismus weiß, was er zu tun hat. Er strebt nichts anderem nach, er eifert nicht – er ist, er kennt seine Aufgabe. Und seine Aufgabe besteht darin, Dir zu dienen, damit Du hier sein kannst, um Deine Aufgabe zu erfüllen – oder um zu entdecken, dass Du sie bereits erfüllst. Schon immer, von Anfang an. Auch wenn Du es nicht weißt.

 

Wir erinnern uns an jemanden, den es niemals gab!

 

Du kannst nicht(s) werden. Die Idee des Werdens ist in uns eingezogen, weil wir uns erinnern können. – An jemanden, den es niemals gab. An jemanden, der immer wieder einer mentalen Überlagerung entspringt. Wir waren klein und sind jetzt „groß“. Wir wussten nichts, und jetzt „wissen“ wir etwas. – So sieht es aus … Aber was hat das mit Dir zu tun? Was hat Dein Werden, Dein Erinnerungsvermögen, die Fähigkeit, zurückzuschauen und nach vorne schauen zu können mit Dir zu tun, wenn Du diese Fähigkeiten nicht ganz direkt auf Dich beziehst und verstehst: Die Fähigkeit, reflektieren zu können, hast Du, um Deine Aufgabe zu erspüren. Um zu Dir zu kommen, um Mensch zu sein. Um Dir nicht mehr auszuweichen. Um ein so tiefes Verständnis für Deine Situation zu entwickeln, dass Du eins wirst mit Dir in dieser Situation. Das ist Deine Aufgabe. Das ist, was Aufgabe ist und heißt: Ganz hierher zu kommen. In diese Inkarnation, in diese Verkörperung, um in dieses Leben einzuziehen – als das Du bist.

 

Ich erlebe mich als den, der in Differenz zu sich lebt …

 

Ich bin Bewusstsein, das vergegenwärtigt, dass es sich noch nicht vollständig vergegenwärtigt hat, und sich vielleicht niemals vollständig vergegenwärtigt haben wird. Deshalb bin ich wach, offen und zugewandt – und letzten Endes immer ohne Wissen. Frei davon. Nicht beschwert von diesem untragbaren und damit unerträglichen „Ernst“. Hier bin ich anwesend, fühlend, denkend, reflektierend – als Mensch; als das, was sich fragt, was seine Aufgabe ist. Als das, was immer wieder den Eindruck hat, an sich selbst scheitern zu können. Als das, was Hoffnung in sein Morgen steckt und Angst davor hat, dieses Morgen niemals zu erreichen. Und damit zu dem wird, was in Differenz zu sich lebt. Als das, was hoffnungslos an seine Vorstellungen über sich selbst verloren ist und große Angst hat, wirklich hier anzukommen. Weil es dann vorbei ist. Mit diesem Wahnsinn! – Denn hier habe ich nichts mehr von mir!

 

Ist es vielleicht meine einzige Aufgabe, wirklich hier zu sein und zu verstehen: Natürlich muss der Körper ernährt werden. – Es liegt auf der Hand, dass wir uns um diesen Körper zu kümmern haben, dass wir „für ihn“ arbeiten müssen. Und wenn wir es genau betrachten, werden wir sehen, dass er es (von) selbst tut. Der Körper kümmert sich vollumfänglich um seine Belange. Er lässt nicht nur mein Herz schlagen, sondern er ist auch meine Hände. Er tut – dieser Körper tut, er steht zur Verfügung, um sich selbst zu versorgen. Um die Belange dieses Körpers muss ich mir also keine Sorgen machen. Besonders dann nicht, wenn ich tief verwirklicht habe, dass ich in diesen Körper eingezogen bin und dass dieser Körper etwas ist, das kommt und geht. Inkarnation – ich bin in die Verkörperung, in das Fleisch eingezogen: Hier bin ich! Und frage mich nach meiner Aufgabe.

 

An diesem Punkt muss ich mich nicht weiter verwirren. Es geht nicht darum, irgendwelche spitzfindigen Konzepte daherzubeten, um wiederum nur eine Pseudo-Entität, um wiederum nur eine Scheinbarkeit zu installieren, von der ich dann glaube, dass ich sie bin. Oder eben auch nicht. Weil ich kein Glaube bin. – Ich bin derjenige, der glaubt. Ich bin derjenige, der immer wieder irgendetwas installiert, um wieder und damit weiterhin glauben zu können. Weil ich derjenige bin, der Angst hat. Ich bin derjenige, der sich fragt, was meine Aufgabe ist. Ich bin der ewige Zeuge: Schon immer hier – und jetzt bekomme ich das mit. Ich verstehe, dass all diese Fragen nicht auf der Ebene beantwortet werden können, auf der sie gestellt werden.

 

Sonst ist mein Morgen mein Gestern ...

 

Meine Aufgabe ist lediglich, vollständig hier zu sein. Nichts vorwegzunehmen und nichts zu schlussfolgern. Ich kenne mein Morgen nicht, ich weiß nicht, was passieren wird. Ich weiß es nicht … Allein deshalb gibt es diese Möglichkeit – „das Morgen“. Sonst ist mein Morgen mein Gestern. Mein ewiges Gestern. Dieses wirkliche, vollständige und totale Eingeständnis kann mich von einem Großteil der Angst befreien, die in meiner immer wieder nur vorgestellten und erinnerten Welt herrscht. Dieses Eingeständnis macht mir die Unhaltbarkeit meiner Vorstellungen – und damit meiner Welt – überhaupt erst sichtbar.

 

Wenn ich verstehe, dass ich wirklich nicht weiß, was passieren wird, darf ich hierher zurück kommen, hierher, wo ich bin. Jetzt darf ich dieses Leben erleben und muss es nicht mehr verwörtern, nicht mehr vorwegnehmen, nicht mehr bedenken. Jetzt muss ich mir selbst keine Modelle mehr von etwas machen, das selbst kein Modell, sondern Wirklichkeit ist. Damit finde ich immer mehr Zeit, meiner wahren Aufgabe zu entsprechen – die darin liegt, ganz in diesen Menschen einzuziehen, von dem ich Erlösung gesucht habe.

 

Von hieraus geschehen Wunder …