Stell dir mal vor, Du hättest alle „Zeit der Welt“. Weil Du nichts „zu tun“, weil Du nichts mehr vor Dir hast …
Stell Dir mal vor, Du würdest morgens nackt durch den Wald tanzen. Du wärst übermorgen in einem Indianerstamm. Du würdest Bilder malen, Du würdest LSD nehmen, Du würdest von morgens bis abends beten, Du würdest vor der Jungfrau Maria sitzen, Du würdest Schach spielen lernen – Du hättest die Wahnsinnseröffnung … Du würdest Dich einfach an etwas verlieren, das größer ist als Du. Etwas, das Du als größer erlebst als Dich. – Selbst Schachspielen kann „größer sein“ als Du. Alles kann größer sein. Ein anderer Mensch kann größer sein als Du. – Du bist in einer erfüllenden Beziehung. Du darfst Dich verlieren. Und ich meine nicht, dass „sich verlieren“ etwas Schlechtes ist, überhaupt nicht. Wir dürfen es nur sehen. Wir dürfen sehen: Erst sind wir kleine Kinder. Da wird uns beigebracht, wie es hier funktioniert. Dann haben wir’s kapiert und sind in unseren Funktionen und Rollen drin. Ganz profan und plakativ: Als Polizist, als Krankenschwester. Also als etwas, das es aus sich selbst heraus in dieser Form nicht gibt.
Und dann merkst Du: Jetzt komme ich wieder in diese Phase, wo ich von außen keine Aufgaben mehr gestellt bekomme. Das ist die Phase, wo ich in eine höhere Form von Selbstbestimmung finden könnte. Und dann stellst Du unter Umständen fest: „Huch, wie soll denn das gehen? Ich weiß doch gar nicht, wer ich bin, was ich will, wohin es mich zieht!“ – In der Zeit, als mir die Aufgaben zugedacht wurden, damit ich mein Leben leben kann, habe ich doch im Grunde genommen nur gemacht, was man mir gesagt hat. Ich habe Dinge gelernt – so, wie es im Grunde auch in der Schule war: Ich lerne irgendwelchen Kram, um ihn wieder zu vergessen. Das Inter-esse, das wirkliche Interesse hat fast immer gefehlt. – Ich habe funktioniert. – Und auf einmal tanzt Du nackt mit Feder im Haar durch den Wald . Und die Leute sagen: „Die ist durch! Das ist eine Wahnsinnige.“
Tatsache ist: Du bist „als Überschuss“ da. Du bist das, was „zuviel“ ist. Das ist bei mir übrigens ganz genau so, das ist bei jedem Menschen so. – Der oder dieses Eine, das „zuviel“ ist, ist die Anwesenheit selbst, die sich in dieser Form erlebt. Die Anwesenheit nimmt einfach wahr, was im Raum der Anwesenheit passiert. Und jetzt ist die Frage: Kann diese Anwesenheit so still werden, dass das nicht konditionierte Wesen – ich möchte fast sagen, dass das göttliche Wesen aus Dir heraustreten darf? Nicht dieser kleine lächerliche Kasper, der macht, was ihm gesagt wird – sondern das göttliche Wesen, das anfängt, die Welt für sich selbst zu entdecken? Dieses göttliche Wesen, das weiß, dass es nicht verloren gehen kann, weil es sich nie gewonnen hat, weil es sich nie bekommen hat. – Weil es einfach das ist: Die Göttlichkeit hinter allem, die sich endlich selbst empfängt! Dieses Wesen ist einfach hier in einer Erfahrungswirklichkeit, von der wir letzten Endes nicht wissen, was sie ist. Das ist der Segen!
Hier findet eine vollkommen andere Eröffnung statt. Hier sind wir in einer vollkommen anderen Inszenierung, nämlich in einer Inszenierung, die nicht von Leuten inszeniert wird, deren Gedankenwelt und deren Sichtweisen ich übernommen habe, ohne mir dessen bewusst zu sein. Nein, hier fängt etwas ganz zaghaft an, zu sich zu kommen: Ganz langsam wird es lila, ganz langsam wird es hellblau; die ersten Blütenblätter platzen auf, der erste ganz leichte Duft verströmt sich, und dann zieht es sich wieder zurück. Ich komme mit meiner Rezeptivität, mit meiner Schüchternheit, mit meiner Scheu, mit meinen wahren Ängsten, mit meinen wahren Gefühlen tiefer in Verbindung und habe überhaupt nicht mehr die Idee, ich hätte hier etwas darzustellen oder es ginge hier um Reputation, oder ich wäre komisch oder irgendetwas. Nein, Du hast schon verloren, Du bist schon Geschichte! 2050 – such Dich da mal, ja?
… Wir haben das so nötig, zu empfangen, und wir leben gerade in einer Zeit, die so wahnsinnig dominiert ist vom Mind, von Prognosen, von Algorithmen, von Digitalität – wir glauben alles zu wissen und stolpern in diesem blinden Wissen in eine Einbahnstraße, die in eine Ecke führt, in die Du reingepresst wirst, bis Du selbst zur Ecke wirst, bis Du die Ecke bist und Dich nicht mehr fühlst. Erst dann fragst Du: „Was soll ich denn mit diesem Leben anfangen?“ – Wir verlernen zu atmen, wir verlernen zu tanzen, wir verlernen, leicht zu sein. Nicht, weil wir das nicht in uns hätten! Das sind keine Eigenschaft, die Du entwickelst, weil sie von Anfang an bei Dir sind. Als dieses lebendige Leben. – Dein Herz schlägt, Du atmest, Wärme durchströmt Dich. Hier.