Öffnung


 

Ich kann mich nicht öffnen.

Das ist der gedankliche Fehler im System.

Die falsche Annahme.

Öffnung passiert von allein.

Oder es ist keine Öffnung.

Näher als alle Freiwilligkeit, weiß das Geöffnetsein nicht.

Es ist – oder nicht.

Dieses Seiende Nichtsein ist, was sich in absoluter Vollkommenheit entspricht.

Die nicht manipulierte und nicht kontrolliere Wirklichkeit. Deiner selbst.

 

Die Blume öffnet sich dem Licht. Weil es so ist.

Weil es das ist, was passiert, wenn sich der frühe Morgen in den Blütenblättern vergegenwärtigt.

Davon erzählt der sich verströmende Duft.

 

Hier ist alles eins mit sich.

Geöffnet oder geschlossen.

Weil das Geschlossensein sich selbst gegenüber geöffnet ist!

Weil es in Wirklichkeit die Öffnung ist.

Geschlossen – und damit ganz bei sich.

Geöffnet – und damit ganz bei sich.

Kein Unterschied.

 

Das Verschlossene öffnet sich von allein, wenn es zwischen sich keinen Unterschied (mehr) spürt.

Wenn die Unterschiedslosigkeit zu sich selbst vordringen und in sich eintreten darf.

Und sich die Weite des Raumes selbst erlebt.

In diesem Kuss. – Als dieser Kuss.

Der allein sich selbst spürt.

Von „beiden Seiten“ her!

 

Öffnung ist die Sprache der Liebe, die selbst keine Sprache kultiviert.

Die nichts anderes kann als sich selbst zu empfangen.

Öffnung ist wie die Blume im Licht. Reines Berührtsein.

Das sich sich selbst immer tiefer öffnet. – Und dabei verströmt.

Und sich verschließt, wenn es so ist. – Und damit absolut offen bleibt!

 

Das ist der Schmerz. Der wahrhaftige Schmerz.

In dem sich das Erleben dem Schmerz öffnet.

Und ganz zu sich kommt.

So schmerzhaft tief von sich selbst berührt.

Und damit so schön. So unbedingt schön!

 

Kein Drinnen, kein Draußen.

Nur noch Offenheit.

Die Erlösung spürend.

 


Liebe. - Der wahre Akt empfängt sich selbst.


Auszug aus dem Audio: ... Rein vom Prinzip her ist das Weibliche das sich öffnende, das, was zurückweicht, was empfangen möchte. Und das Männliche ist, was erobern, was vordringen, was schützen und ehren möchte. – Wir können verwirklichen, dass diese beiden Prinzipien zu einem Erleben von Einheit führen, nämlich dazu, die Kraft in Sicherheit zu empfangen – und darin gesehen, gemeint und getragen zu sein.

 

Wenn wir anfangen zu verstehen was Empfängnis ist, was Weiblichkeit ist, was der Schoß ist, dann wird es licht und hell. Dann verwirklicht sich das Prinzip der Liebe auf der Ebene von Bewusstsein. Dann verstehe ich, was Erwartung bedeutet – was in Erwartung sein bedeutet. Was es bedeutet, warten zu können. – Auf die Bereitschaft. Auf die Öffnung. Damit verliert das Dominierende die Gewalt und führt zu einer Kraft, die beidseitig erlebt wird: Auf der Seite des Weiblichen als ein sich selbst zuerst vernehmen dürfen und auf der Seite des Männlichen als ein das Weibliche zuerst empfangen (und empfinden!) können.

 

Solange ich mich im Weiblichen als Schwäche spüre, habe ich mich noch nicht wirklich selbst gespürt. Weil das, was Weiblichkeit an und für sich ist, offen, weit und schwingend ist. Und das Männliche ist in sich und an und für sich zweifellos, direkt und nach vorne gerichtet. Das führt sie in die Vereinigung ...

 

Es ist letzten Endes eine Berührung. Hierin gibt es kein Objekt mehr.

 Was hier geschieht, kann nur geschehen, wenn es zu einer wahren Vereinigung kommt, zu dieser Fusion, zu diesem Ineinanderfallen der Polarität. Das ist, was wir auf der Ebene von Religion als Gebet ausdrücken können. Die Hände kommen zusammen. Sie berühren sich. Ich kehre ein und werde still. Ich fühle die Berührung der Handinnenflächen. Die Innenflächen berühren sich und werden auf beiden Seiten der Innenflächen empfangen. Es ist letzten Endes eine Berührung und nicht zwei. Hierin gibt es kein Objekt mehr. Und damit nichts, was ich in Besitz zu nehmen möchte. Damit wird es wirklich ekstatisch.

 

Ekstase ist überhaupt erst dann möglich, wenn ich mich nicht zurückhalten muss, wenn ich keine Angst haben muss und mich nicht dominiert oder in die Enge getrieben fühle. Wenn ich nicht genügen muss, wenn ich keiner Erwartung genügen muss, und mich wirklich öffnen und entfalten darf. Das ist das Prinzip wahrer Lust. Wahre Lust heißt einfach duften, schwingen, ohne dass darin etwas anderes auftaucht, ohne dass es darin zu Fremdheit kommt. Und das ist letzten Endes der wahre Akt.

 

Der wahre Akt empfängt sich selbst von beiden Seiten her. Und damit ist das, was eindringt, gleichzeitig das Durchdrungene und das, was in sich eindringen lässt, ist eins mit dem Durchdrungensein. Es will durchdrungen sein. Es will sich auf diese Weise spüren – von beiden Seiten her. Wenn es offen ist, wenn es bereit ist, wenn es empfangen werden will. Wenn niemand mehr da ist, der etwas von dem anderen will und der Akt selbst zum Eigentlichen wird. Womit sich der Liebesakt selbst führt.

 


Es ist Zeit!


Aus der Hand frißt der Herbst mir sein Blatt:

wir sind Freunde.

Wir schälen die Zeit aus den Nüssen und lehren sie gehn:

die Zeit kehrt zurück in die Schale.

 

Im Spiegel ist Sonntag,

im Traum wird geschlafen,

der Mund redet wahr.

 

Mein Aug steigt hinab zum Geschlecht der Geliebten:

wir sehen uns an,

wir sagen uns Dunkles,

wir lieben einander wie Mohn und Gedächtnis,

wir schlafen wie Wein in den Muscheln,

wie das Meer im Blutstrahl des Mondes.

 

Wir stehen umschlungen im Fenster,

sie sehen uns zu von der Straße:

es ist Zeit, daß man weiß!

Es ist Zeit, daß der Stein sich zu blühen bequemt,

daß der Unrast ein Herz schlägt.

Es ist Zeit, daß es Zeit wird.

 

Es ist Zeit.

 

Paul Celan 1948

 



Der heilige Alltag


 

Nichts an diesem Alltag ist heilig. Bis er uns heilig wird! Das ist eine Realisation, die nicht zu verstehen ist, bis sie gelebt wird. Ein Alltag, in dem wir nicht sein und ankommen können, kann kein heiliger Alltag sein. In welchem Alltag wir das können, können wir nur entdecken, indem wir uns in diesem Alltag wahrnehmen. Was uns zu uns selbst und damit zugleich in den Alltag führt, in dem ich leben möchte, weil in ihm nichts von dem, was sich in mir spürt, zurückgelassen werden muss. Und damit gehe ich als dieses lebendige Wesen in „meinem“ Alltag auf. Von dem ich immer weniger zu unterscheiden bin. Hier komme ich zu mir. weiter