Und fortan wird da, wo ich bin, nichts anderes sein.


Alles, was sich im Raum zeigt, was darin auftaucht, stößt auf sich. Und das, was auf sich stößt, hat seine Not mit sich. Einfach, weil es jetzt ist. Und sich fortan spüren wird.

 

Dazu ein ganz einfaches Beispiel: Da sitzt eine Katze auf der Mauer. Eine schöne, leicht ausgemergelte Katze – und sie miaut und erreicht unser Herz.

 

Wir stellen ihr etwas hin, und drei Tage später sehen wir hinter dieser Mauer drei junge, kleine Katzen hervorkommen: So schön. So wundervolle Ausdrucksformen dieses Lebens, so wild, so „dumm“, so unbedarft. – Das, was vor wenigen Wochen noch nicht war, zeigt sich jetzt im Raum als diese kleine Katze, die so lange hinter der Mauer wartete, bis die Mutter sie rief. Das ist es, was unser Herz erreicht. Wir sind von dieser hilflosen Zartheit berührt. Und wenn uns diese Berührung tief genug erreicht, fühlen wir auch die Hilflosigkeit darin. – Die Not, zu existieren. Die Not der Existenz, die einfach da ist ...

 

Im Raum zeigt sich alles ...

 

Im Raum zeigt sich etwas wie eine Katze, und da, wo sich etwas zeigt, hat es sich um sich selbst zu kümmern. Da, wo sich etwas zeigt, wird gefühlt. Da kommt etwas zu sich in einen Erlebensraum, den es vorher nicht gab und nur hier gibt. Hier zeigt es sich. In diesem Raum. Als Stein, als Katze, als Mensch … Und fortan wird da, wo ich bin, nichts anderes mehr sein! Da, wo ich mich in diesem Raum zeige, ist nichts anderes als das, was sich zeigt: Ich – in Form eines Steines, in Form einer Katze – oder, „schlimmer noch“, als Mensch. Warum „schlimmer noch“? Das werden wir gleich sehen.

 

Allein die Tatsache, dass ich mich im Raum zeige, bedeutet, dass ich mich um etwas zu kümmern habe, worum ich mich bisher nicht zu kümmern hatte: Weil es mich in dieser Form bisher nicht gab! Aber ich bin im Raum aufgetaucht, in dieser Verkörperung. Egal, ob ich von mir weiß oder nicht. Als Stein, als diese tiefe Versunkenheit, als diese so immense Tiefe, die so tief ist, dass sie gar nichts anderes wahrnimmt als sich selbst, und nur dort verweilen will, wo sie ist – in dieser Tiefe. Der schwere Stein will sich nicht bewegen. Er hat keinen Stoffwechsel und ist, bis er nicht mehr ist. Er wird auf seine Existenz niemals aufmerksam, obwohl er sich in diesem Raum als Stein zeigt und genau den Platz einnimmt, den er einnimmt. – Da, wo dieser Stein liegt, kann nichts anderes sein.

 

Und dann das kleine Kätzchen, das Hunger haben kann, das verletzt sein kann oder erschöpft. Das kleine Kätzchen, das spielen will, ohne davon zu wissen. Das einfach da ist, und dieses Dasein vollkommen ist – als Katze! Das, was sich im Raum als niedliches Kätzchen zeigt, hat ein Eigen(er)leben, und dieses Eigen(er)leben ist existenziell. Es ist nicht wie erhofft oder erträumt, weil es einfach „so“ ist – so warm, so kalt, so nass, so hungrig, so satt, ausgeruht, angstvoll … Das, was im Raum erscheint, macht spürbar, wie sich das, was erscheint, dabei fühlt. Wie es sich anfühlt, nur hier zu sein. Hier an diesem Ort. Denn nur das, was ganz hier ist, kann sich in diesem Raum zeigen. Wäre es überall, würde es nicht in Verkörperung auftauchen. Es wäre dem Raum gleich, nicht konkretisiert – es wäre einfach nicht sichtbar und könnte sich sinnlich nicht vernehmen. Was ist das für ein unglaubliches Wunder, dass sich etwas im Raum zeigt! – Und dabei erlebt.

 

Der Mensch als höchste Möglichkeit und tiefste Verdammnis

 

Und damit kommen wir zum Menschen: Zur höchsten Möglichkeit – und zur tiefsten Verdammnis. Er ist das Hellste und das Dunkelste in einer Person. Weil dieser Mensch nicht einfach nur hier ist und sich im Raum zeigt, sondern weil er sich in einem imaginären, magischen Raum sich selbst zeigt. – Und dieses Sich-sich-selbst-Zeigen ist das große Leiden, das auf Erlösung wartet. Weil ich mir in diesem Leiden bewusst werde, wie limitiert ich bin, wie begrenzt, wie klein, wie wenig variabel.

 

Ich werde darauf aufmerksam, dass ich es mir nicht aussuchen kann, wer ich bin, was ich denke, wie ich fühle. Und in diesem Nicht-Verstehen darüber, wie ich jemand sein kann, der vor sich selbst auftaucht und dabei „nicht vollkommen“ ist, schaue ich nach draußen und meine Vollkommenheit zu sehen. – Nicht die wahre Vollkommenheit der Wirklichkeit, die vollkommen ist – sondern immer wieder nur „etwas Vollkommeneres als mich“: Einen glücklicheren Menschen, einen schöneren Menschen, einen erfolgreicheren Menschen. Menschen, die in glücklichen Beziehungen sind, Menschen, die kreativ sind, Menschen, die ihr Leben so leben, wie sie es leben möchten. – Das ist es, was ich sehe, wenn ich mich als das mehr oder weniger Falsche spüre und dabei aus mir heraus in den Raum sehe – eine Imagination.

 

Das ist, was ich bis zum Schluss nicht erkenne: Ich, dieses unendlich limitierte Wesen, diese unendliche Verhärtung, dieses unendliche Leid – ich bin eine Verdichtung in Raum und Zeit, die bisher nicht verwirklicht hat, dass sie einfach erschienen ist – wie eine Katze, wie ein Stein … Allein das lässt mich so dicht und so hart werden und so unendlich limitiert empfinden! Dabei bin ich in Wirklichkeit das, was sich im Raum zeigt, um die Erfahrung zu machen, die ich bin. Ich bin nicht dazu da, andere Erfahrungen zu machen als die, die ich mache. Das ist es, was mir aufgehen kann! Hier beginnt die Erlösung.

 

Mir kann aufgehen, dass ich in der Vollkommenheit vollkommen bin. Dass dieser Ausdruck, der sich hier in diesem Raum zeigt und erlebt, das ist, worum es geht. Und damit wird das menschliche Erleben zum erlösten Erleben. Damit erlebe ich mich selbst im Raum der Zeit. Ich werde Zeuge dieser Anwesenheit und lerne mich wahrhaftig fühlen.

 

„Lerne mich wahrhaftig fühlen“ heißt: Ich spüre einfach und stelle keine Vergleiche mehr an, spekuliere nicht mehr und träume nicht mehr von anderen, mich wegführenden Wirklichkeiten – die es nur als Einbildungen dieser Verkörperung gibt. Und komme genau hier in dieser Verkörperung an – als das, was sich hier in diesem Raum zeigt. Als der Mensch, der ich bin. Als der Mensch, den ich fühle. Als der Mensch, von dem ich so tief spüre, dass er Erlösung sucht. – Die Frage ist nur: Von was?

 

Wir suchen Erlösung von der Fremde in uns

 

Wir suchen Erlösung von unseren eigenen nicht durchschauten, nicht durchdrungenen Ideen, Vorstellungen und Bildern über uns. Wir suchen Erlösung von der Fremde in uns, von der Nichtbereitschaft, hier in dieses, was sich im Raum zeigt und fühlt, einzukehren.

 

Dabei kann ich nur hier, genau hier an diesem Ort zu dieser Zeit, vollkommen ungeteilt – d. h. einig und zweifellos sein. Das ist das Geheimnis, das sich entdecken will. Und das kann es nur, wenn ich verwirkliche, dass ich einfach im Raum aufgetaucht bin. Wie die kleinen Kätzchen hinter der Mauer. Ich bin das, was sich im Raum zeigt. So nah. Zu nah, um mich von mir zu unterscheiden.

 

So nah, dass ich mir als geistig reflektierende Instanz, die ich bin, selbst zum Raum werde, in den ich mich ausstrecken, in den ich mich ausdehnen, in dem ich mich zu Hause fühlen und erleben darf. Und damit immer ganz bei mir – auch in der Not …