Lebenslänglich lebenslang


 

Buchrücken und kurzer Auszug:

Eine einzelne Note ist keine Musik, sie ist nicht das Werk, sie ist nichts, was sich selbst gehört und auf sich bestehen kann. Ihr Zauber liegt darin, von sich zu lassen. Wenn sie einsieht, dass sie zu einem viel größeren und umfassenderen Werk gehört, als sie es je fassen kann, lässt sie absolut freiwillig von sich. Dann kommt in dieser und durch diese eine Note alles zum Ausdruck, was sie als Idee ist – und so bleibt nichts von ihr zurück, wenn sie sich in den Raum hinein entfaltet hat.

Die Note klingt, um zu vergehen. Ein Ton, der an sich festhalten könnte, wäre ein grausamer, ein überaus quälender Ton. Er würde (sich) nicht daran erinnern, dass er selbst der göttlichen Natur entspringt, einer Komposition, deren Ursprung durch diese göttliche Musik zum Vorschein kommt.

In diesem Augenblick sind alle Galaxien, ist aller Raum und alle Zeit von etwas erfüllt, was keiner Galaxie entsprungen ist, was nicht aus dem Raum und nicht aus der Zeit kommt, sondern was all das zum Vorschein kommen lässt, um es von innen heraus wirklich sein zu lassen. Was das ist, werden wir niemals wissen. Aber es zeigt sich uns, um sich selbst daran zu erinnern, dass es in jeder Form und zu allen Zeiten und in allen Räumen ein vollkommener Ausdruck seiner selbst ist. Eben deshalb ist bereits alles gesagt, wobei es nur jetzt gesagt wird und nur jetzt gesagt werden kann. Es kann nur jetzt gelesen, gehört, erkannt und vernommen werden.

 


Kapitel: Ich werde mich niemals verstehen.

 

Ich kann mich nur deshalb nicht verstehen, weil ich mich verstehen will. Mich verstehen zu wollen bedeutet bereits, dass ich mich nicht verstehe. Und ich verstehe mich nur deshalb nicht, weil ich, statt einfach zu sehen, statt einfach zu hören, statt die Unmittelbarkeit des Lebens zu erleben, etwas anderes verstehen möchte – mich selbst. Als ob ich mich selbst anrufen könnte, um mich danach zu erkundigen, wer ich bin und wie es mir geht.

Ich spreche immer nur mit mir selbst und dieses Selbstgespräch macht mich dann vor mir selbst fremd, wenn ich glaube, mich dadurch verstehen und kennenlernen zu können. Niemals! Ich kann nichts anderes kennenlernen als „meine“ Vergangenheit, „meine“ Muster, „meine“ Neurosen, die Art „wie ich gestrickt bin“. Aber das ist nicht, wer ich bin und eben darin liegt der Trugschluss.

Solange ich glaube oder denke, dass dieses Strickmuster mir Aufschluss über mich selbst geben kann, bin ich heillos in die Person verstrickt, die ich zu ergründen versuche. Die Frage ist: Wer versucht, diese Person zu ergründen? – Ich. Warum versuche ich dann nicht gleich, mich selbst zu ergründen, statt meiner Spiegelung?! Weil das unmöglich ist. Ich kann nur das ergründen und verstehen, was mir erscheint. Durch mein Verstehen wird es zum Objekt, zu etwas, was irgendwie ist und irgendwelche Eigenschaften hat. Und wenn ich glaube, dass etwas irgendwie ist, verstehe ich gar nichts. Dann reduziere ich das, was nicht zu verstehen ist, auf etwas Verstehbares. Dann wird auf Wirklichkeit Realität. Dann passe ich die Wirklichkeit meiner kleinen mentalen Gedankenwelt an und tue so, als ob ich dadurch etwas verstanden hätte.

Alles, was ich verstehen kann, ist unwesentlich. Das, was ich verstehen kann, muss mir gegenüberstehen. Es ist objekthaft, gedanklich hervorgerufen, nicht wirklich wirklich, sondern nur eine mentale Spiegelung von etwas, was sich niemals erfassen lassen wird, weil es nicht zu erfassen ist. Diese Einsicht macht keine Angst. Ganz im Gegenteil: Sie ist deckungsgleich mit dem erstaunlichen Wunder, das mehr als große Freude ist.

Wenn ich das, was ich sehe, verstehen will, mache ich das Gesehene allein durch dieses Vorhaben zu einem Objekt. Ein Objekt kennzeichnet, dass es auf den in ihm gesehenen Inhalt reduziert wird, egal ob es sich darauf reduzieren lässt und dadurch erfassen lässt oder nicht. Ein Objekt ist etwas Lebendiges, dem alles Lebendige genommen worden ist. Es wird durch die Art der Betrachtung getötet. Es wird tot gesehen. Wenn ich wirklich glaube, tot zu sein, dann kann ich mich wie etwas Unlebendiges betrachten und verstehen. Anderenfalls erfreue ich mich daran, mich nicht verstehen zu müssen, weil das Leben überhaupt kein Interesse an meinen Festlegungen und Definitionen hat. Es kommt ihm einfach nicht in den Sinn, sich selbst zu einem mentalen Inhalt machen zu lassen, da es sich überall zu erkennen gibt.

Da, wo sich das überall offenbarende Leben selbst erkennt, versteht es auf eine Weise, die sich dem Verstehen entzieht.