Die Welle und das Meer eine hübsche kleine Geschichte, die besagt, dass die Welle immer eins mit dem Meer bleibt. Diese Metapher ist für all jene, die nicht in dieser Welt angekommen sind und zu
viel Zeit darauf verwand haben, sich aus dem Leben herauszudenken. Ich hingegen sage: Das, was Welle ist, ist das Dionysische, das Lustvolle, Wollende, Ekstatische. Damit meine ich nicht das
Süßliche, Friedliche und Glückselige. Gott bewahre! Ich will den Jünger der Wahrheit nicht wiegen, wie die Mutter ihr Kind, ich will ihm kein Schlaflied singen und ihn unter keinen Umständen
zurück in den Schoß fliehen und so der Welt entkommen lassen. Nein! Danach steht mir wahrlich nicht der Sinn. Ich will, dass er das Leben nicht vorschnell transzendiert, sondern erst einmal zu
sich kommt und sei es unter Schmerzen! Ich will Bewegung, das sich selbst überwältigende Leben und nicht den Meeresgrund, der von seinem Tosen und Rauschen vollkommen unbehelligt bleibt und so
gar nichts von seinen Wellen weiß! Nein, der Jünger sei erst einmal vor sich hingestellt. Als Welle, die sich nur selbst beweisen und übermannen kann. Als Welle, der es bestimmt ist, an sich
zugrunde zu gehen. Davor aber will ich die aufgepeitschte Gischt sein, der unerhörte Gedanke, ich will als das Hervorgebrachte leben und hervorbringen, was sich in mir bewegt.
...
Ich bin dahin gegangen, wo es nicht einfach nur wehtut;
ich war da, wo ich von allen und allem verlassen bin.
Ich habe das Verlassensein nicht nur nicht gefürchtet, – nein, ich habe es zutiefst genossen,
hat es mir doch bewiesen, dass ich wirklich bin –
als wahrer und tiefer Lebensreflex.
Durch mein Verlassensein habe ich mich selbst bewiesen.
Das alles habe ich ertragen,
um meinem bereits kühnen Geist keine andere Möglichkeit mehr zu lassen,
als bedingungslos zu sich zu stehen.
Glaubst du nur, was du dir einbildest,
oder bist du auch bereit, es nachzuvollziehen?
Bist du bereit, es am eigenen Leib zu erleiden?
Das war meine Frage – das fragte ich mich.
Ja! – Und das habe ich ohne das Amen eines „so sei es“ mit Christus gemein.
Ich habe mir alles selbst auferlegt.
Ich habe den Kelch nicht an mir vorüberziehen lassen.
...
Man muss alles selber denken – es gibt keinen anderen Weg.
Nicht als eingebildete Seele, nicht als Gegenteil des eingebildeten Objekts,
sondern als die Bewegung, die in mir zu sich kommt.
Aber mich gibt es doch gar nicht, sagt der Indienreisende!
Was für ein hanebüchener Unfug!
Wer sagt, dass es ihn nicht gibt?
Was ist das für eine undurchschaute Kinderei?
Was ist das anderes als blinder Glaube?
Die Existenz ist ein Spiegelkabinett?
Ach, wenn es doch nur so einfach wäre.
Dann könnten wir dem eigenen Vergehen weiterhin beruhigt entgegendösen.
Aber was ist das für eine Existenz, die sich selbst nicht verinnerlicht,
obwohl sie sich erscheint?
...
Ich sage, der Mensch hat als Mensch die Pflicht,
sich selbst zu vergessen oder sich selbst anzunehmen.
Nichts erfordert mehr Interesse.
Mantren, Rosenkränze, Gebete, das milde sich Schaukeln,
all das tötet das Lebendige im Menschen ab.
Als sei das Leben ein übler Auswurf Gottes,
ein Geschwür, das möglichst unverzüglich entfernt werden muss.
Sind das die Gedanken von jemandem, der das Denken für sich entdeckt hat,
von jemandem, der des Denkens fähig ist?
Oder fürchtet sich hier jemand vor der eigenen Reflexion,
weil ihm das Übelste schwant?
Wagte sich der Weltfremde, der Weltferne, der in der Weltabgewandtheit sein Heil sucht,
doch nur einmal, wirklich hinzuschauen.
Wagte er doch nur einmal, selbst zu denken!
Er käme sich schließlich selbst auf die Schliche.
Doch der Angstvolle bleibt lieber gleich zu Haus
und lernt sich so erst gar nicht kennen.