Aus dem Einen


 

Manche suchen Dualität, andere Einheit.

Beide wissen nichts von der Wahrheit,

die zu allen Zeiten und überall gleich ist.

Die Wahrheit wird weder von der Dualität

noch von der Nichtdualität berührt.

[Avadhuta Gita]

 

Von selbst – by it self –

sich selbst autorisierend.

Das trifft es genau!

Keine fremde Autorität. Selbstermächtigung!

So arbeitet das Bewusstsein.

Ein Kind krabbelt, ein Hund bellt, du denkst –

by it self, von selbst.

Dafür braucht es niemanden.

Es passiert, um sich selbst zu erkennen.

 

 

Aus der Einleitung:

 

Eine Existenz, die mich in ihre Pläne mit einbeziehen würde, wäre nicht in der Lage, sich selbst fortzuführen. Ständig müsste sie anhalten, auf mich und meine Entscheidungen warten und meine Entscheidungen dann mit den Entschei-dungen „der anderen“ in Übereinstimmung bringen. Das gesamte Leben würde aufgrund diverser Sonderinteressen blockiert und augenblicklich in sich zusammenbrechen.

 

Solche Kompromisse kennt das Leben nicht. Es funktioniert nicht wie das EU-Parlament, das alle Einzelinteressen berücksichtigen muss, sich dadurch selbst lähmt und das Sinnvolle fast immer zu verhindern weiß. Wir werden erst informiert, wenn etwas stattgefunden hat. Tatsächlich entstehen wir erst in dem Augenblick, in dem uns etwas zu Bewusstsein kommt. Auch wenn wir als Person das nicht gern hören: Es ist uns nicht möglich, aktiv ins Geschehen einzugreifen. Und doch wird es von uns so erlebt.

 

Wie komme ich zu den Entscheidungen, von denen ich glaube, dass ich sie selbst treffe? Wer entscheidet, was ich mag und was nicht? Woher kommt der Schmerz, den ich erfahre und wieso tue ich Dinge, die ich nicht tun will? Entscheide ich, zur Arbeit zu gehen oder treibt mich die Angst vor der Mittellosigkeit dazu? Oder ist es der Wunsch, etwas zu bewegen oder die Lust an der Arbeit? Entscheide ich, mir einen faulen Zahn ziehen zu lassen, oder entscheidet der Schmerz für mich? Bestelle ich mir Himbeerkuchen mit Sahne, wenn ich weder Himbeeren noch Sahne mag? Wer entscheidet eigentlich, welche Vorlieben ich habe? Wer entscheidet, welche Gedanken sich mir zeigen? Wer entscheidet, wo ich mich wohl fühlen und fallen lassen kann und wo nicht?     

 

„Was willst du?“ – das ist die Frage, die mich als Person interessiert. Ja – was will ich? Schon kommen mir tausend Dinge in den Sinn. Aber woher kommen die Gedanken, die sich mir zeigen? Ganz egal, was mir in den Sinn kommt, letztendlich will ich, dass es mir gut geht. Ich will glücklich sein. Ich will hier sein dürfen und mich entfalten. Ich will nicht, dass mich jemand zu etwas zwingt. Das ist vollkommen natürlich – und es hat nichts mit mir als Person zu tun.

 

Der Wunsch, aus sich selbst herauszutreten, zu wachsen und sich unversehrt entfalten zu dürfen, entspricht dem Lebensprinzip. Ich will sein, weil ich am Leben bin. Dabei bin ich von Anfang an niemand und werde zu niemandem. Das wird spätestens dann offensichtlich, wenn es an der Zeit ist, an die „Wurzeln des Ausdrucks“ zurückzukehren. Dann verschwindet das, was eben noch „etwas“ war, von der Oberfläche. Die Form lässt los und wird losgelassen. Das hat nichts mit mir zu tun. Es passiert von allein. So ist das Leben.

 

Das, was das Leben ist, kann auf der Ebene des Geistes nachvollzogen werden – oder auch nicht. Wenn es nachvollzogen wird, sieht der Geist ein, dass dem Leben eine ihn bei weitem übersteigende Intelligenz zugrunde liegt. Ein auf diese Weise erkennender Verstand wird sich nichts mehr auf sich selbst einbilden und so immer öfter in eine Stille finden, in der sich das Leben unmittelbar mitteilt.

 

Die Idee, selbst Autor des Lebens zu sein, liegt auf dem Weg. Sie ist nicht falsch, aber eingebildet. So, wie alles einge-bildet ist, was sich das Individuum selbst zurechnet.

 

Natürlich steht es mir frei, zeitlebens auf mich selbst zu bestehen. Es steht mir frei, mich abzumühen und bis zum letzten Atemzug um „meine“ Existenz zu kämpfen. – Aber steht mir das wirklich frei? Steht es mir frei, Angst zu haben? Steht es mir frei, dem Leben nicht zu vertrauen und mich nicht hinzugeben? Oder fühle ich mich dazu gezwungen? Und wenn ja, was zwingt mich dazu?

 

Glaube ich immer noch zwei zu sein, einer, der über den anderen herrscht? Kann ich mich immer noch für mich schämen oder stolz auf mich sein? Kann ich mir immer noch einbilden, die Verantwortung für mein Leben zu tragen? Kann ich immer noch an mir leiden? Natürlich – all das ist möglich. Solange ich es für selbstverständlich halte, für mein Leben selbst verantwortlich zu sein, solange ich glaube, die Geschicke meines Lebens selbst zu lenken, wird das paradoxerweise auch so bleiben.

 

Ist es nicht merkwürdig, dass das Individuum, das sich für sich selbst verantwortlich fühlt und demzufolge darauf besteht, seine Handlungen selbst auszuführen, immer auch das Gefühl hat, an sich selbst zu leiden? Könnte das nicht daran liegen, dass uns die falsch verstandene Selbstverantwortung daran hindert, ganz im und am Leben zu sein? Einfach so, ohne einen großen Zirkus um uns selbst und die eigenen Angelegenheiten zu machen? Wäre es nicht eine unglaubliche Erleichterung, einfach, direkt und unmittelbar zu leben – also so, wie es kommt?

 

Das kann ich nicht! Das macht mir Angst! Dann verliere ich die Kontrolle! Und nicht nur das. Dann verliere ich auch meine eingebildete Wahlfreiheit, meine Freiheit überhaupt. Ich verliere alles, woran ich glaube. Ich verliere, was ich als mich kenne. Ich werde wieder auf Null gesetzt.

 

Jetzt fängt ein neues Spiel an. Aber diesmal ist es ein Spiel. Es ist nicht mehr so ernst. Es kennt keine Schuld. Es ist nicht mehr das todernste Spiel der „Erwachsenen“. Es erkennt sich als voll in den Ablauf des Lebens integriert. Das passiert von allein, wenn niemand mehr da ist, der an die Segnungen seiner eigenen Ichhaftigkeit glaubt.

 

Derjenige, der an sich glaubt, glaubt auch an die persönliche Erleuchtung. Er sehnt sich danach, es endlich zu schaffen – er hofft auf die „spirituelle Eins“, das Diplom zur spirituellen Superperson. Auch das liegt auf dem Weg. Dabei heißt meine wirkliche Sehnsucht Aufgabe.